Waldpädagogik, Wildnispädagogik, Naturpädagogik und co. Was ist eigentlich der Unterschied?

20. Jun 2021 | Waldpädagogik in der Praxis | 8 Kommentare

Update: 5. April 2023

Hast du dich schon einmal gefragt, was eigentlich der Unterschied zwischen Umweltpädagogik und Naturpädagogik ist?

Vielleicht möchtest du sogar eine Ausbildung in diesem Bereich machen, aber du hast keine Ahnung, welche zu dir passt?

Dann ist dieser Artikel für dich!

Du erfährst hier, warum es überhaupt so viele verschiedene Ausbildungen und Ansätze gibt und was sie voneinander unterscheidet.

Vitamin N(atur) Mangel

„Diese Naturpädagogik ist doch nur ein Trend“, sagte ein Teilnehmer auf einer Führung zu mir. Klar ist das Arbeiten in der Natur ein Traumjob, das weiss ich ja nur zu gut. Aber es gibt echten Bedarf an pädagogischem Personal, das sich in Naturthemen weitergebildet hat.

Warum?

Weil sich die Gesellschaft immer mehr aus der Natur und den Wäldern zurückzieht und im wahrsten Sinne unter Natur-Mangel leidet. Je nach Definition des Begriffs, wird sogar von einer Natur-Defizit-Störung gesprochen.

Nicht selten höre ich im Kindergarten 5-jährige Kinder sagen, sie seien noch nie in ihrem Leben im Wald gewesen. Dabei ist es aber gerade für kleine Kinder enorm wichtig, dass sie den Bezug zur Natur haben.

Es sind aber nicht nur die Kinder, die an Natur-Mangel leiden. Nein. Auch überarbeitete Erwachsene brauchen Wildnis, um wieder zurück zu sich selber zu finden.

Nicht umsonst verschreiben Ärzte in Japan, Waldbaden als Stressprophylaxe.

Die Lösung lautet…

Natur, Wald und Wildnis!

Der Wald und auch andere Naturorte bieten dem Mensch viele Vorteile. Abseits der Zivilisation fühlen wir uns wie in einem Mini-Urlaub, das viele Grün lässt uns entspannen und den Blutdruck senken und unsere Gedanken können sich vom Alltagsstress erholen.

Kinder können zum Beispiel im Wald viele Basis-Erfahrungen sammeln, die sie an keinem anderen Ort machen können: Wühlen im Dreck, Käfer fangen, auf Bäume klettern und die Umwelt kennenlernen, um ein paar zu nennen.

Warum das so ist, ist relativ einfach. Auch wir Menschen sind Teil der Natur oder des Ökosystems. Wir sind nicht gemacht, um stundenlang vor den PC zu sitzen oder von einem Meeting ins nächste zu hetzen.

Wir brauchen Ruhe, Abgeschiedenheit, Einsamkeit.

Kurz gesagt: Der Wald ist der Ort, an dem unsere Wurzeln sind!

Pädagogik im Grünen – die verschiedenen Richtungen

So viele verschiedene Menschen es gibt, genauso viele verschiedene Interessen gibt es. Mit dem Waldbesuch verhält sich das genau gleich.

Die einen mögen es zu meditieren im Wald, andere möchten sich dort gerne auspowern und Sport machen. Andere wiederum versinken in Naturbeobachtungen und weitere in Schatzsuche-Spielen. Einige möchten ganz zurück zu den Wurzeln und üben sich in Überlebenstrainings und anderen widerstrebt das völlig.

Darum gibt es so viele verschiedene Ansätze.

„Egal ob Wildnispädagogik, Waldpädagogik oder Naturpädagogik: Alle wollen Menschen im Herzen berühren, damit wir wieder zurück zur Natur und zu uns selbst finden.“

Nachfolgend stelle ich dir die bekanntesten grünpädagogischen Richtungen vor. Die Liste ist nicht abschliessend.

Umweltpädagogik (naturbezogene Umweltbildung)

Natur- und Umweltpädagogik werden oft in einem Namen genannt und tatsächlich überschneiden sich diese beiden Ansätze. Um genauer zu unterscheiden, spricht man heute darum von Naturbezogener Umweltbildung.

Naturbezogene Umweltbildung (NBU) will Natur- und Umweltthemen vermitteln und zwar nicht in trockene Theorie verpackt, sondern immer im direkten Tun, Beobachten und Erleben.

Durch konkrete Beobachtungen lernen z.B. die Kinder so, wie sich der Löwenzahn fortpflanzt oder wie sich eine Blaumeise bei Gefahr verhält.

Naturbezogene Umweltbildung (oder Umweltpädagogik) kann darum als Überbegriff für alle Ansätze verstanden werden, die sich in irgendeiner Form der Vermittlung von Umwelt- und Naturthemen widmet.

Naturpädagogik

Mit der Naturpädagogik hat alles angefangen. Sie war der Startschuss für die heutige Umweltbildung und all ihren Facetten. Der Begriff wird erstmals vom Amerikaner Joseph Cornell verwendet, der in den 1980-er Jahren sein erstes Buch darüber veröffentlicht hat.

Die Naturpädagogik will die Neugierde für naturwissenschaftliche Zusammenhänge wecken. Sie will das Wissen über den Zyklus und die komplexen Zusammenhänge der Natur, spielerisch vermitteln.

Naturpädagogen bringen in aller Regeln einen pädagogischen Hintergrund mit, sind ausgebildete Lehrpersonen oder ErzieherInnen. Sie können das Wissen in den Schulunterricht einfliessen lassen oder auch eigenständige Angebote anbieten.

Die Grenzen zwischen Natur- und Umweltpädagogik sind fliessend.

.

Waldpädagogik

Die Waldpädagogik kann als Teil der Naturpädagogik gesehen werden. Sie verfolgt die selben Arbeitsweisen und Ideen wie die Naturpädagogik, beschränkt sich aber auf das Ökosystem Wald.

Waldpädagogik beschäftigt sich ausserdem noch mit forstlichen und jagdlichen Themen. Eben alles was mit dem Wald irgendwie zusammenhängt.

WaldpädagogInnen bringen daher meist eine forstliche und/oder eine jagdliche Ausbildung mit, bevor sie die Ausbildung beginnen.

Der Wald bietet viele Vorteile als Lehr- und Lernraum. An keinem anderen Ort finden sich so viele verschiedene Pflanzen- und Tierarten, die sich beobachten lassen. An keinem anderen Ort darf man laut und leise zur gleichen Zeit sein.

Kein anderer Ort ist so enorm wichtig für unsere Zukunft. Der Wald bietet uns Erholungsraum, Sauerstoff, Schutz vor Steinschlag, Lawinen und Hochwasser, Reduzierung der Temperatur und noch vieles mehr.

Wildnispädagogik

Im Vergleich zu den oben genannten Ansätzen, wirkt die Wildnispädagogik schon fast ein wenig exotisch.

Sie hat ihren Ursprung aus den Lebens- und Lernweisen von Naturvölkern. Dabei spielen indianische Traditionen wie das Fährtenlesen, die Vogelsprache verstehen und das Naturhandwerk eine wichtige Rolle.

Wildnispädagogik will den Umgang mit einer „ursprünglichen“ Natur fördern und dabei auch Techniken und Fertigkeiten lehren, um sich in der Natur heimisch zu fühlen (z.B. Feuer machen ohne Anzünder).

Das primäre Ziel der Wildnispädagogik ist nicht die Wissensvermittlung, sondern das Herstellen einer inneren Naturverbindung.

WildnispädagogInnen kennen sich oft auch mit Überlebenstechniken aus.

Erlebnispädagogik (oder Natur-Erlebnispädagogik)

In der Erlebnispädagogik liegt der Fokus auf dem Erlebnis in der Natur. Es geht weniger darum Naturwissen zu vermitteln, sondern die Natur als Schauplatz für Erlebnisse zu nutzen.

Im Vordergrund stehen oft dynamische Gruppenprozesse und Gruppenaktivitäten die, die Teilnehmenden in ihrer Sozialkompetenz fördern sollen.

ErlebnispädagogInnen arbeiten oft in der Erwachsenenbildung.

Welches ist denn nun die richtige Ausbildung für mich?

Diese Frage lässt sich – du ahnst es schon – natürlich nicht allgemeingültig beantworten.

Je nachdem, was für ein Typ Mensch du bist, und welche (Natur-) Erfahrungen du schon mitbringst, sagt dir die eine Ausbildung besser zu, als vielleicht eine andere.

Die Grenzen sind übrigens auch nicht klar getrennt. Unterdessen kombinieren viele KursanbieterInnen, mehrere pädagogische Ansätze in ihren Ausbildungen.

Und es ist natürlich auch möglich, dass du selbst mehrere verschiedene pädagogische Richtungen miteinander kombinierst.

Ich für meinen Teil, bin Waldpädagogin durch und durch. Allerdings verspüre ich immer mehr das Bedürfnis, Ansätze aus der Wildnispädagogik in meine Waldführungen einfliessen zu lassen. Einfach weil ich merke, dass es für viele Kinder wichtiger ist, überhaupt erste Erfahrungen im Wald zu sammeln.

Und selbstverständlich fliesst in meine Arbeit auch viel Naturschutzwissen mit ein. Die Rangerin in mir kann ich auch nicht einfach so abstellen 😉

Nichts ist falsch. Alles ist richtig, solange die Kinder nicht verlernen in den Wald zu gehen.

Schreibe mir doch in die Kommentare, hast du schon eine grünpädagogische Ausbildung gemacht? Wenn ja, welche? Und wenn nein, würdest du gerne eine machen?

8 Kommentare

  1. Das ist sehr interessant, die Unterschiede zwischen den einzelnen Richtungen waren mir überhaupt nicht bekannt. Vielen Dank fürs Erklären!
    Ich fühle mich grundsätzlich in der Natur extrem sicher, gut aufgehoben und verbunden, sicherer als manchmal in der Großstadt. Ob’s fürs Übernachten reichen würde – wenn ich nicht ganz allein wäre, vermutlich schon. Aber ich müsste mich sehr an die Geräusche gewöhnen, die man nachts ganz anders wahrnimmt …

    Antworten
    • Liebe Birgit, ja, nachts ist das schon etwas besonderes. Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass wenn man die Geräsche einordnen kann, sie gar nicht mehr so unheimlich klingen.

      Antworten
  2. Der Wald ist mein Refugium, wenn gar nichts mehr geht. Und ich fände es toll, fachmännische Anleitung zu haben für meine „Entdeckungsreisen“. Jemand, der mir in jeder Hinsicht die Augen öffnet, für unbekanntes Terrain.

    Antworten
    • Liebe Susanne, du nimmst mir die Worte aus dem Mund. Sogar ich liebe es mit anderen waldkundigen Personen unterweg zu sein. Man lernt ja schliesslich nie aus 🙂

      Antworten
  3. Vielen Dank für die Erklärung 😊
    Bin täglich im Wald unterwegs mit meinen Tieren (Pferde & Hunde)
    Biete aber auch für Kinder “Waldbaden” an. Sie sind so zu begeistern ☺️ für den Wald 🌳🌲

    Antworten
    • Gern geschehen 🙂

      Ja, Waldbaden kommt zu den ganzen Bewegungen natürlich auch noch dazu. Obwohl das Waldbaden eigentlich auch in alle aufgeführten Richtungen einfliesst. Ich kenne keinen Waldpädagogen, der nicht irgendwo eine Achtsamkeitsübung in seine Führungen einbaut.

      Antworten
  4. Vielen lieben Dank für die schöne und leicht verständliche Übersicht. So kommt etwas Licht in den grünen Dschungel 😁

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Noch mehr Artikel für dich

Hi, ich bin Madeleine!

Hi, ich bin Madeleine!

Rangerin und Waldpädagogin

Und ich unterstütze dich dabei, deine naturpädagogische Arbeit zeitsparender und mit viel Naturwissen zu planen.

Wald von Ameise bis Zaunkönig: Das ist mein Motto bei der Arbeit und meine persönliche Haltung. Denn es gibt in der Waldpädagogik nicht DIE eine richtige Methode oder die eine Arbeitsweise. Es gibt nur das, was du daraus machst.

Mein Wunsch ist es, dass du herausfindest, wofür dein Herz brennt. Denn dann machst du aus einem einfachen Waldtag eine echte Naturschutz-Aktion!

Lass uns zusammen, den Kindern die Schönheiten unserer einzigartigen Welt zeigen.

Du brauchst schnell Inspirationen für deine Arbeit?

.