Wieso du nie aufhören solltest zu lernen, wenn du die Natur schützen willst

18. Aug 2022 | Natur- und Umweltschutz | 1 Kommentar

Regelmässig wenn ich mich in Kreisen aufhalte, bei denen es um naturverwandte Themen geht, stellen sich mir die Nackenhaare auf.

Ganz egal, ob das nun ein Gartenforum ist, eine Gruppe Waldspaziergänger, oder ein Forum für Wildtierinteressierte. Und ja, manchmal sogar auch in Waldbaden-Gruppen.

Viel Halbwissen wird verbreitet, fachliche Meinungen werden oft als falsch hingestellt, Tiere und Pflanzen werden vermenschlicht, Waldarbeiter an den Pranger gestellt und, und, und.

Richtig schlimm ist dieses ganze Szenario in den sozialen Medien. Hier scheint es, als ob man sich alles erlauben könnte.

Fake News werden in Massen verbreitet, so wie andere ihre Blumensamen ausstreuen.

Wer sich mit einer fachlichen Meinung dagegen stellt, wird verbal angegriffen.

Was läuft hier eigentlich???

Nachdem ich nun letzten Monat schon zum x-ten Mal, einen kleinen Shitstorm in einer Facebook-Gruppe, gegen eine Fachperson erleben durfte, wird es Zeit, dass ich hier mal Tacheles rede.

Nur weil du dich regelmässig in der Natur aufhältst, heisst das noch lange nicht, dass du dich mit Naturthemen auskennst!

Frage dich doch mal, über welches Wissen Menschen verfügen, die in einem Gartenforum unterwegs sind?

Genau!

Sie wissen über Gartenpflanzen und Schädlingsbekämpfung bescheid.

Und was denkst du, welches Wissen bringen Waldspaziergänger oder Waldbaden-Teilnehmer mit?

Ja, sie wissen in erster Linie darüber Bescheid, dass der Wald ein wertvoller Erholungsort ist, der Abstand vom Alltag bringt.

Aber wo liegt denn der Hund begraben?

Wieso spielen sich Gartenexperten und Waldspaziergänger plötzlich als Naturkenner und Naturschützer auf?

Und dann machen sie es nicht mal richtig?

Das Problem: Der Dunning-Kruger-Effekt

Spätestens seit dem ersten Corona-Lockdown, kennen wir sie. Die Personen, die sich als Experten aufspielen, obwohl sie eigentlich gar kein fundiertes Wissen über das entsprechende Thema verfügen.

Dieses Verhalten nennt die Wissenschaft Dunning-Kruger-Effekt.

Die beiden Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger, von der renommierten Cornell Universität haben sich in den 1990-er Jahren intensiv mit diesem Thema befasst.

Ihnen ist aufgefallen, dass Unwissenheit zu einem bestimmten Thema, oft zu mehr Selbstvertrauen führt. Das hat also zur Folge, dass weniger kompetente Personen dazu neigen ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen und überlegenes Wissen von anderen Personen nicht zu erkennen.

Und jetzt im Klartext:

Wenn eine Person, sich irgendwo erstes Wissen über ein Thema (z.B. den Wald) angeeignet hat, dann glaubt sie schon extrem viel zu wissen.

Weil: sie hat ja in kurzer Zeit viel neues gelernt.

Mit dem Ergebnis, dass die Person selbstbewusst auftritt (auch wen das Wissen vielleicht gar nicht stimmt).

Es gibt auch den Umkehr-Effekt.

Menschen die weiterlernen und sich noch mehr in das Thema vertiefen, merken plötzlich, dass noch viel mehr dazu gehört.

Sie glauben, ihr Wissen sei nicht gut genug und fühlen sich schlecht deswegen.

Ihnen fehlt es oft an Selbstvertrauen.

Die Lösung: Stetige Weiterbildung

Zum Glück nennen Dunning und Kruger aber auch gleich die Lösung:

Lebenslange Weiterbildung.

Nur wer sich stetig weiterbildet und kritisch bleibt, kommt aus dem Sumpf.

Aus dem Sumpf der Überheblichkeit und später auch aus dem Sumpf der Selbstzweifel.

Im Diagramm sieht das folgendermassen aus:

  1. Wenn wir etwas neues lernen, dann glauben wir, schon alles zu wissen. Das Selbstvertrauen steigt und wir sind bereit unser Wissen nach aussen zu tragen.
    Wenn wir hier aufhören zu lernen, dann glauben wir, wir sind eine Fachperson (Dunning-Kruger-Effekt).
  2. Wenn wir aber weiterlernen merken wir, die Zusammenhänge sind viel komplexer. Wir verlieren die Motivation und das Selbstvertrauen sinkt. Wer hier aufhört zu lernen glaubt, er oder sie hat nichts gelernt (Umkehr-Effekt).
  3. Wenn wir hier dranbleiben, dann gewinnen wir unser Selbstvertrauen zurück.
  4. Am Ende Winkt der Siegerpokal: Viel Wissen und viel Selbstvertrauen.

Ein Beispiel: Maya und die Schamanin

In den letzten drei Jahren sind Naturtherapeuten, Wald-Gesundheitstrainer und wie sie alle heissen, wie das Gras im Frühling aus dem Boden geschossen.

Sie alle behaupten von sich, sie würden den Menschen die Natur näher bringen.

Das stimmt soweit auch.

Jedoch mit einem spirituellen Hintergrund.

Stell dir darum mal folgendes Szenario vor:

Klientin Maya sitzt mit Schamanin Inyanga gerade auf dem Waldboden und riecht an leicht feuchtem Moos.

Sie ist hier, weil sie sich von ihrem Burn-Out erholt und ihr die Aufenthalte im Wald gut tun.

Doch plötzlich jault in der Nähe eine Motorsäge auf und nur wenige Minuten später hört man das Krachen eines fällenden Baumes.

Bämm!!! Ruhe gestört!

Maya war vor ihren Sitzungen mit Schamanin Inyanga, nur extrem selten bis gar nie im Wald. Sie weiss (noch) nichts über den Wald und seine Bewohner. Sie kennt bis jetzt nur das, was ihr die Schamanin gezeigt hat.

Maya hat nun zwei Möglichkeiten.

Möglichkeit 1

Maya ist total ausser sich. Denn alles was ihr die Schamanin in den letzten Wochen gezeigt hat, wird gerade mit der Motorsäge zunichte gemacht. Das kann nur eines bedeuten: Der Förster hat kein Verständnis für die Natur!

Wutentbrannt beschreibt sie dieses Szenario auf ihrem Facebook-Profil und stellt den Forstbetrieb an den Pranger.

Wann immer Maya in Zukunft einen Förster sieht, wird sie diesen nicht als Fachperson für den Wald wahrnehmen, sondern als Baummörder.

Möglichkeit 2

Maya ist zwar geschockt, erkundigt sich aber später telefonisch beim Forstbetrieb, warum Bäume gefällt werden.

Sie erfährt vom Förster, dass Fichten aus einer Monokultur gefällt werden.

Dort soll später gesunder Mischwald entstehen, der resistenter gegen die Trockenheit und Krankheiten ist.

Nebenbei erfährt sie auch, dass mit dem Beseitigen von Monokulturen wieder vermehrt naturnahe Wälder entstehen sollen.

Was heisst das jetzt für dich?

Wähle IMMER die Möglichkeit 2!

Sei IMMER bereit neues dazuzulernen!

Hinterfrage IMMER, was du liest, hörst oder schon weisst!

Denn du weisst nie mit 100%-iger Sicherheit, ob dein Wissen stimmt.

Ob es noch aktuell ist, oder ob es neue Erkenntnisse aus der Forschung gibt.

Wenn du einen Kurs besuchst oder einen Text liest, frage dich:

Welches Wissen bringt die leitende Person mit?

Wie vermittelt sie das Wissen?

Wo grenzt sich die leitende Person ab?

Wo ist sie schlicht keine Fachperson?

Auch ich bin bei weitem nicht in allen Naturthemen eine Expertin! Und das muss ich mir immer wieder eingestehen.

Ich habe zum Beispiel nur rudimentäres Laien-Wissen über Pilze (und natürlich noch ein paar Themen mehr). Darum wirst du bei mir nie einen Kurs über Pilze finden.

Mein Steckenpferd sind Vögel. Darum findest du auf meinem Blog auch viele Artikel über Vögel.

Wenn du dir mit meiner Hilfe neues Wissen über Vögel (genauer gesagt über Eulen) aneignen möchtest, dann ist der Grundkurs über unsere einheimischen Eulen ideal für dich.

Jetzt aber wünsche ich dir:

Fröhliches Lernen!

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