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Botswana ist bekannt für gute Offroad-Touren und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass einzelne Strecken wortwörtlich von Touristenströmen überrollt werden. Doch trotz dem verhältnismässig kleinen Strassennetz in Botswana, ist es möglich, abseits ausgetretener Pfade, von A nach B zu gelangen. Das Navi reklamiert dann meist mit den Worten „Muddy Road. Dead End!“ (dreckige Strasse, die zu keinem Ziel führt).
Doch heute hat das gute Gerät für einmal Pause. Kurz vor dem Grenzübergang Pandamatenga biegen wir links auf die bekannte Hunter’s Road ab, eine der ältesten Strassen des Landes. Die geschichtsträchtige Strasse, die ihren Namen durch den Elfenbeinhandel während der Kolonialzeit erhalten hat, befindet sich genau auf der Grenze zu Zimbabwe.
Die wildreiche Strecke entpuppt sich als Offroader-Paradies. Es macht riesigen Spass, auf dem tiefsandigen Track zu fahren! Für die hundert Kilometer benötigen wir den ganzen Tag. Zu müde um zu kochen, beschliessen wir, nicht wie geplant am Ende der Strecke zu campen, sondern nehmen die letzten Kilometer nach Kasane unter die Räder und bestellen unser Abendessen im Restaurant.
Übernachten entlang der Hunters Road
Unterwegs im Chobe Nationalpark
Von Mopane-Bäumen und Rangern
Es gibt im Chobe Nationalpark nicht viele Möglichkeiten, von Kasane nach Maun zu fahren. Wir wählen eine wenig befahrene Strecke entlang des Ngwezumba River. Die Strecke ist abwechslungsreich und einfach zu befahren. Ich entdecke etwa alle fünf Kilometer eine Vogelart, die ich noch nicht kenne und ab und zu auch eine Zwergantilope im hohen Gras. Die zahlreichen Elefanten, die es hier geben soll, haben sich allerdings vor uns versteckt.
Es scheint, als könnten wir die Strecke bis zum berühmten Savuti Camp in einem Tag bewältigen. Doch dann liegt ein Baum vor uns, mitten auf dem Track. Mit dem Landy können wir das gute Stück etwas zur Seite ziehen, so dass wir – wenn auch mit ein paar neuen Lackkratzern versehen – passieren können.
Die Fahrt führt uns durch einen dichten Mopane-Wald, der links und rechts eine Art Wand bildet. So unattraktiv und eintönig das Gestrüpp auf uns wirkt, muss es wohl auch für die Tiere sein. Wir sehen nicht einmal mehr Vögel und hoffen, die nötigen Kilometer bald hinter uns zu haben.
„Hier ist wohl schon lange keiner mehr durchgefahren!“, meint Uwe, als wir schon zum dritten Mal einen Baum aus dem Weg räumen! Die Aktionen sind zeitraubend und schnell ist klar, wir werden heute Nacht ohne Campingplatz klarkommen müssen.
Nur wenige Kilometer nach dem dichten Wald, bereits am eindunkeln, entdecken wir ein Wasserloch. Wir stellen unsere Autos so hin, dass wir vom Dachzelt einen guten Ausblick auf den Uferbereich haben. Die Kamera und den Feldstecher lege ich vorsichtshalber in greifbare Nähe, dann bin ich bereit für die Tiere, die in der Dämmerung ans Wasser kommen.
Allerdings sind auf der anderen Seite des Wasserlochs keine Tiere. Drei bewaffnete Männer steuern geradewegs auf uns zu! Wilderer? Parkranger? Räuber? Doch bevor wir uns ein Horrorszenario ausmalen können, stellen sie sich uns vor. Sie sind Angehörige der Armee und überwachen das Gebiet gegen die Wilderei. Mehrere Male entschuldigt sich der Mann, welcher der Chef der Gruppe zu sein scheint, weil er sich nicht ausweisen kann. „Ich habe nicht gedacht, dass ich auf Touristen treffe. Hier fährt sonst nie jemand durch.“, meint er weiter. Dass wir hier weit weg von einem Campingplatz übernachten wollen, stört ihn zum Glück nicht weiter.
Märchenwelt in der Wüste
Kurz vor Maun trennen sich die Wege von Gabi, Uwe und mir wieder, da ich meinen grossen Reisetraum nun endlich wahrmachen möchte, einmal das Okavango Delta sehen.
In der nicht besonders hübschen, dafür charmanten Stadt Maun, muss ich mich erst noch zurechtfinden. Doch „das Tor zum Delta“, wie sie auch genannt wird, macht ihrem Namen alle Ehre. Reiseveranstalter und Lodgebetreiber buhlen beinahe an jeder Ecke um die Gunst der Touristen.
Ich fliege in einer kleinen Chessna zusammen mit zwei Angestellten der Lodge in die Jao Concession, die im Herz des Deltas liegt. Obwohl dieser Trip der teuerste der ganzen Reise wird, haben sich die Ausgaben jetzt schon gelohnt. Der Ausblick ist einfach unbezahlbar! Auf einer Fläche, halb so gross wie die Schweiz, reihen sich Tausende von kleinen Inseln aneinander. Das Wasser ist so klar, dass man sogar aus dem Flugzeug die Wasserpfade der Nilpferde sehen kann.
Das Okavangodelta aus der Luft
Sanfter Pirschgang im Mokoro
Das Jacana Camp ist glücklicherweise keine protzige und überdimensionierte Luxuslodge. Trotzdem fühle ich mich gerade wie „die Prinzessin auf der Erbse“, da ich als alleiniger Gast sehr aufmerksam umsorgt werde.
Der Ausflug im Mokoro (Einbaum) fällt unerwartet spannend aus. Man ist nahe am Wasser und hat Zeit für die kleinen Dinge, wie bunte Frösche oder Libellen auf den Seerosenblättern. Jonas der Poler (so werden hier die Einbaum-Steuermänner genannt) legt sich richtig ins Zeug für mich. Er klappert alle erdenklichen Plätze ab, um die seltenen Sitatunga-Antilopen zu finden, doch leider ohne Erfolg.
Trotzdem fühle ich mich zufrieden und erholt, als Jonas mich zurück auf die Lodge bringt. Unendlich viele Vögel und eine Landschaft, wie ich sie sonst nur aus Filmen kenne, machen den Tag für mich perfekt.
Beim Abendessen lerne ich Thabang und Teetee kennen. Die beiden arbeiten für Botswana-Tourismus und bewerten gerade die Lodge. Botswana-Tourismus hat sich das hohe Ziel gesetzt ein Hotelranking nach internationalem Standard herauszugeben. Gar nicht so einfach in einem Land, in dem die Hotelbesitzer oft die Sterne an sich selbst verteilen.
In den kommenden Tagen lässt die hohe Tierdichte im Delta meine Kamera hunderte von Fotos schiessen. Erst nach Monaten werden die wohl fertig sortiert sein, doch das kümmert mich wenig, denn der einzige männliche Löwe auf der Hauptinsel sorgt gerade für Furore. Seine Weibchen haben vergangene Nacht das drittletzte Zebra der Insel gerissen und der Pascha verteidigt es nun, wo er nur kann. Nicht einmal seine eigenen Jungen lässt er davon fressen.
Poler, so werden die Mokoro-Stermänner genannt
Wenn der Löwe das drittletzte Zebra reisst…
Zurück in der Realität
Es stellt sich eine Art Taubheit ein. Gemischt mit einer gehörigen Portion Reisemüdigkeit habe ich keine Ahnung, wie meine Reise weitergehen soll. Doch ich möchte die wenigen Tage, die mir noch bleiben, nicht einfach nur absitzen. Eine Entscheidung muss her! Der Zeitdruck lässt keine grossen Sprünge mehr zu und so entscheide ich mich das Central Kalahari Game Reserve zu besuchen, welches auf meiner Rückwegroute liegt.
Die trockenen Landschaften der Wüste mögen mich jedoch trotz ihrer Schönheit nicht richtig bezaubern. Nach der üppigen Vegetation und dem Tierreichtum im Okavango Delta kommt mir hier alles irgendwie verkümmert vor.
Ich geniesse zwar die Abgeschiedenheit und freue mich über die vielen Oryx-Antilopen, doch so richtig dafür begeistern kann ich mich nicht. Der spärliche Regen in dieser Saison hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Eigentlich müsste das Gras um diese Jahreszeit grün und saftig sein, doch stattdessen begegnet mir das berühmte Deception Valley trocken und trostlos. Auch die vielen Vögel, die es hier im Sommer geben soll, sind verschwunden.
Gerne wäre ich durch den Park nach Gaborone gefahren. Doch alle Ranger, die ich frage, schütteln heftig mit dem Kopf und erklären mich für verrückt. Zu viel Tiefsand, man sollte die Strecke besser nur im Konvoi befahren. So lasse ich dieses Vorhaben bleiben und plane eine kleine Rundstrecke im Norden des Parks.
Nach zwei Tagen bin ich immer noch etwas enttäuscht und gelangweilt von der kargen Wüstenlandschaft und so verlasse ich den Park früher als geplant.
Irgendwie muss ich wohl eine Vorahnung gehabt haben oder einfach nur Glück, denn nach dem Check-Out am Gate springt der Landy nicht mehr an! Der Anlasser ist kaputt, wie der nette und hilfsbereite Ranger sofort herausfindet.
Innert kürzester Zeit stehen fünf Männer um die offene Motorhaube und diskutieren, wie sie mir helfen könnten. Nach drei Stunden und unzähligen Kaffees sieht es nun so aus, als könne ich endlich weiterfahren. „Stopp Madam, stopp!“ ruft plötzlich einer der Ranger, als ich den Motor starte. Als ob der kaputte Anlasser nicht schon genug gewesen wäre, habe ich nun auch noch einen platten Reifen. Dank der Hilfe der Männer ist das Rad aber schnell gewechselt und ich kann endlich weiterfahren.
Geschmeichelt über die Hilfsbereitschaft der Männer – ich durfte nicht mal den Schraubenzieher berühren – fällt mir auf, dass ich zuhause noch nie eine solche Hilfsbereitschaft erlebt habe.
Auch wenn der Motor wieder läuft, der Landy muss in eine Werkstatt und das bedeutet, dass ich wieder zurück nach Maun fahren muss.
Der Weg von der Autowerkstatt ins Hotel mache ich zu Fuss und versuche meinen Ärger zu verdauen, dass ich in der Stadt festsitze.
Plötzlich wie aus dem Nichts ruft mir eine Stimme zu: „Was machst du denn hier?“. Thabang und Teetee, die beiden Männer von Botswana-Tourismus, strahlen mich aus ihrem grünen Pickup an.
Bei einem Bier reden wir über Gott und die grosse Welt oder besser gesagt über das Leben in der Schweiz und in Botswana. Endlich kann ich jemandem all die Fragen stellen, die sich im Laufe der letzten Wochen bei mir angesammelt haben. Warum fühle ich mich in Botswana viel sicherer, als im Nachbarland Südafrika? Warum sind die Menschen so freundlich? Weswegen kann sich auch ein Bauer einen neuen Pickup leisten und einen Traktor? Immer bekomme ich dieselbe Antwort: „Unsere Regierung schaut eben zu uns!“
Besonders stolz sind sie aber auf ihren ersten Staatspräsidenten Sir Seretse Khama. Er habe das Land zu dem gemacht, was es heute sei, eine eigene Nation.
Die Nacht wird lang und endet schliesslich in einer Bar, wo sich normalerweise keine Touristen aufhalten. Etwas exotisch fühle ich mich als einziger Mensch mit weisser Hautfarbe und werde auch dementsprechend genau beobachtet.
Doch die Begleitung von Thabang und Teetee lassen mich sicher fühlen. Die beiden umsorgen mich, als wäre ich eine edle Dame aus ritterlichen Zeiten. Für mich als junge, selbstsichere Frau etwas ungewohnt. Ich fühle mich gleichzeitig entmündigt und geschmeichelt.
Gackeltrappe – Vögel sind echt meine Leidenschaft 🙂
Kalahari-Löwe
Afrika zum Abschied
Ich möchte noch einmal Elefanten sehen, bevor ich in knapp einer Woche wieder in den Flieger steige. Mit diesem Ziel mache ich mich auf den Weg Richtung Südosten, ins Northern Tuli Game Reserve.
Auf dem Weg dorthin merke ich bald, dass sich Individualtouristen, wie ich, nur selten dorthin verirren. Keiner kann mir sagen, ob es sich lohnt, dorthin zu fahren und ob es bezahlbare Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Doch ich lasse mich von meinem Vorhaben nicht abbringen und werde dafür mit dem Blick auf eine rote Mondlandschaft belohnt.
Da das Reservat unter privater Leitung steht, ist campieren verboten und ich richte mich in einem kleinen aber feinen Selbstversoger-Camp ein. Die Lage am Limpopo River lassen Erinnerungen an den Kurs wachwerden, den ich zu Beginn meiner Reise besucht habe. Der Kreis schliesst sich und bald wird meine Reise zu Ende sein.
Es scheint, als wären die Elefanten extra gekommen, um sich von mir zu verabschieden. Eine Herde mit über hundert Tieren kreuzt mein Weg, als ich das Reservat verlasse. Doch obwohl ich diesen faszinierenden Tieren stundenlang zuschauen könnte, muss ich jetzt wirklich Abschied nehmen. In gut dreissig Stunden muss ich nämlich den liebgewonnen Land Rover wieder abgeben.
Doch das ist einfacher gesagt als getan! Am Grenzposten Martin’s Drift reiht sich eine über hundert Meter lange Menschenschlange, die nur darauf wartet, einen Stempel in den Pass zu erhalten.
„Willkommen in Afrika!“ spricht mich der Mann hinter mir in gebrochenem Deutsch an. Ich muss lachen! Einerseits finde ich diese Begrüssung etwas ironisch an meinem letzten Tag und andererseits weiss ich ja, wie kompliziert Beamte im südlichen Afrika sein können.
„Wissen Sie denn nicht das heute ein Feiertag ist, Madam? Alle wollen nach Polokwane in die Kirche“, klärt mich der Mann weiter auf. Und tatsächlich, es fällt mir wieder ein, heute ist Gründonnerstag! Kalender, Wochentage, Termine, Uhrzeit, das alles wurde für mich in den letzten Monaten unwichtig. Ich habe mich aufs Wesentliche beschränkt und trotzdem das Gefühl gehabt, im Luxus zu leben.
Ein plötzlicher Tumult lässt mich aus meinen Gedanken hochschrecken! Es werden neue Schalter aufgemacht, die Menschen möchten endlich weiter. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass auch ich eigentlich langsam weiterfahren sollte. Drei Stunden warte ich nun schon in der Schlange, genau die drei Stunden, die ich als Zeitpuffer eingeplant habe.
Ich habe Glück, bevor der Schalter wieder zugeht, kriege ich endlich den langersehnten Stempel.
Wieder in Deutsch, schenkt mir der Mann zum Abschied die wohl schönsten Worte: „Der Geist Afrikas möge dich beschützen!“
Mondlandschaft im Tuli Reserve
Elefanten zum Abschied
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