Einmal südliches Afrika und zurück – Teil 1

10. Nov 2020 | Persönliches | 0 Kommentare

Ich weiss nicht, ob es an der kälter werdenden Temperaturen liegt oder vielleicht doch eher am Corona bedingten Reisestop, mich plagt das Fernweh nach dem südafrikanischen Busch (oder ist es vielleicht doch eher Heimweh?).

Wer meinen Blog schon etwas länger verfolgt weiss, ich habe dort die Ausbildung zum Safari-Ranger abgeschlossen und damit den Grundstein für meinen jetzigen Beruf gelegt.

Der nachfolgende Reisebericht entstand 2012 nach meiner letzten langen Reise nach Südafrika und Botswana. Ursprünglich schrieb ich ihn für ein kleines Reisemagazin, welches ihn aber nie veröffentlichte. Seither schlummert er ungelesen auf meiner Festplatte. Nun möchte ich ihn mit euch teilen 🙂

Von Träumen, wilden Tieren und Offroad-Autos

Einmal im Leben ins Okavango Delta, ein Traum der sich schon vor langer Zeit in meinem Kopf festgesetzt hat. Endlich soll dieser Traum nun in die Realität umgesetzt werden. Obwohl ich schon mehrere Male im südlichen Afrika unterwegs war, hätte ich diese grosse Reise gerne mit einer Partnerin oder einem Partner unternommen. Doch es kam alles ganz anders und ich machte mich, trotz allen Unkenrufen von Freunden und Familie, alleine auf den Weg. Drei wunderschöne Monate verbrachte ich dabei im südafrikanischen Busch zwischen Wildtieren und Gleichgesinnten.

Nach einer schlaflosen Nacht im Flugzeug, wegen der Abschiedsgefühle und der Vorfreude, lande ich in Johannesburg. In der Ankunftshalle werde ich bereits von Liza erwartet, die mich ins Hotel bringt, welches ich für die erste Nacht gebucht habe. Im Hotel angekommen, lerne ich die ersten Personen kennen, die zusammen mit mir den Kurs zum Safari-Ranger besuchen.
Das Hauptziel meiner diesjährigen Afrikareise ist eigentlich das Okavango Delta. Doch schon seit ich das erste Mal in Südafrika war und die Ausschreibung für diesen Kurs entdeckt habe, träume ich davon daran teilzunehmen. Der Kurs dient mir aber auch als Vorbereitung auf meine bevorstehende Reise durch Botswana, denn gerade die Fahrausbildung mit dem 4×4 wird mir sicher von Nutzen sein.

Der Wecker klingelt, es ist 5.30 Uhr, vor uns liegt nun eine 7-stündige Fahrt im Minibus. Es ist beinahe die ganze Fahrt über auffallend still. Man kennt einander nicht und hat ausser ein wenig Smalltalk noch nichts, worüber man sprechen könnte.
Die Busfahrt führt uns in die Makuleke Concession, eingebettet zwischen den beiden Flüssen Limpopo und Levhuvu, dem nördlichsten Teil des Krüger Nationalparks. Ich bin gespannt, was mich erwartet. Denn als ich vor vier Jahren das erste Mal im Krüger Nationalpark war, bin ich nicht so weit in den Norden gereist.

 

Lagerleben

Ich bin überwältigt! Ich komme mir vor, als wäre ich mitten im Urwald. Die grossen Bäume, die vielen Vögel und der Geruch der Wildnis lassen mich den Alltagsstress von zuhause nun endgültig vergessen. Wie in einem Märchenfilm bewege ich mich durch das Camp und bestaune mein neues Zuhause auf Zeit.
Während dem Abendessen sitze ich neben drei Mosambikanern, die den Kurs besuchen, um in ihrer Heimat den Naturtourismus zu fördern. Im Gespräch mit Mussa erfahre ich viel über ihr Projekt, das von einem kanadischen Investor unterstützt wird und viele neue Arbeitsplätze schaffen soll. Die Hälfte seines Dorfes konnte dank des Projekts bereits eine Ausbildung absolvieren. Fasziniert schaue ich mir die Fotos auf seinem Handy an, auf denen ich Menschen sehe, die mit sehr viel Freude ein Schulhaus errichten. Alle helfen mit, Frauen, Männer, Alte und sogar die Kinder. Das ist noch Gemeinschaft! Etwas traurig denke ich an unsere Schweizer Gesellschaft zurück. Geht uns dieses Gefühl von Gemeinschaft langsam verloren? Neben den drei jungen Männern fühle ich mich mehr und mehr wie ein Greenhorn. Ich merke, dass ich trotz aller Vorbereitung und früherer Reisen genau keine Ahnung habe, wie die Menschen hier wirklich leben und denken.

Ausbildungscamp EcoTraining Krüger Nationalpark in Südafrika

Ausbildungscamp im Krüger Nationalpark

Afrikanischer Wildhund

Der tranceähnliche Zustand, in dem ich mich befinde, lässt mich kaum schlafen. Ich bin aufgeregt und lausche den Hyänen bis tief in die Nacht hinein. So erwache ich dann am nächsten Morgen, bevor der Wecker klingelt. Im Dunkeln taste ich nach meiner Stirnlampe, denn Strom gibt es keinen im Camp. Es ist 4.15 Uhr. Ich ziehe mich an und gehe zum Gemeinschaftsdeck. Ausser dem Campleiter und mir ist noch niemand dort. Erst nach und nach bewegen sich einzelne Stirnlampenlichter zum Deck, die wie Glühwürmchen durch die noch dunklen Morgenstunden schweben. Alle stehen wir um die Feuerstelle mit einem Kaffee in der Hand. Die Stirnlampen haben wir ausgemacht, damit wir uns nicht gegenseitig blenden. Noch bevor die Sonne aufgegangen ist, erklärt uns der Instruktor die wichtigste Verhaltensregel für den afrikanischen Busch „What ever you do, don’t run!“ Denn alles, was davonrennt, wird von den Raubtieren als potenzielles Futter angesehen.
In den ersten Tagen geht es erst mal darum, sich neues Wissen anzueignen, denn so gut wie alles ist Neuland. Doch bald pendelt sich der Alltag ein, schlafen, essen, hinausgehen, lernen und wieder hinausgehen. Abwechslung bieten besondere Begegnungen und Beobachtungen mit den Wildtieren. Wir haben öfter mal Besuch von Elefanten im Camp und können einmal richtig lange einem jungen Leoparden-Weibchen folgen.

Die Zeit im Kurs ist anstrengend. Der Aufwand lohnt sich jedoch in jeder Hinsicht. Noch nie war ich so weit weg von jeglicher Zivilisation, kein Internet, kein Handyempfang, nur die Weiten Afrikas. Ich bin überrascht über den meditativen Effekt, der diese Situation auslösen kann und beschliesse darum auch nach der Reise, mehr Zeit in der Natur zu verbringen.
Meinem Ziel, mit dem Land Rover durch Botswana zu reisen, komme ich nun immer näher. Der Kurs ist bald zu Ende und damit auch meine fachliche Vorbereitung für die Reise. Mit einem lachenden, aber auch mit einem weinenden Auge, nehme ich Abschied von den Menschen, die in den vergangenen Wochen sehr wichtig für mich geworden sind. Wir tauschen Telefonnummern aus und versprechen uns gegenseitig zu besuchen.

Limpopo River Krüger Nationalpark

Pirschfahrt im offenen Geländewagen

Willkommen in Botswana!

Der Mietwagen ist schnell gefasst, ein Land Rover TD5. Doch die Fahrt zur Grenze zieht sich in die Länge. Unendlich viele Baustellen befinden sich ausgerechnet auf meiner Strecke. Nach gefühlten 100 Stunden komme ich erschöpft in Polokwane an. Nach der intensiven Zeit im südafrikanischen Busch, sitzt mir der Kulturschock in den Knochen. Der Verkehr und die vielen Menschen überfordern mich. Trotzdem raffe ich mich auf und gönne mir an der Hostelbar ein gutes Abendessen. Es dauert nicht lange, da werde ich von Peter angesprochen. Ich erzähle ihm von meinen Reiseplänen durch Botswana und er hört mir gespannt zu. Auf einmal springt er von seinem Stuhl auf und verschwindet für kurze Zeit in seinem Zimmer. Zurück kommt er mit vielen Strassen- und Landkarten. Er erklärt mir, dass er geschäftlich auch schon öfter in Botswana unterwegs war und zeigt mir die Strassen, die gut befahrbar sind und diejenigen, die ich aus Sicherheitsgründen besser meiden sollte. Zum Abschied steckt er mir seine Visitenkarte zu. „Falls du irgendwann mal Hilfe brauchen solltest, dann ruf mich an!“. Erstaunt über diese Geste bedanke ich mich und gehe ins Bett. Was ich jetzt noch nicht weiss, am Ende meiner Reise werde ich im Besitz von 12 Visitenkarten sein.

„Willkommen in Botswana. Besuchen Sie zum ersten Mal unser Land?“ begrüsst mich die Zöllnerin freundlich, als ich das letzte Gate vom Grenzübergang Martin’s Drift passiere. Ja, es ist tatsächlich mein erster Besuch in Botswana und ich bin gespannt was mich erwartet. Mit neuem Elan fahre ich ohne einmal anzuhalten, bis nach Serowe. Mir fallen sofort die Menschen auf, die entlang der Strasse sauber machen und die Büsche und das Gras schneiden. Ein Bild, das man im Nachbarland Südafrika nur selten antrifft. Auch später auf meiner Reise werde ich immer wieder feststellen, dass Botswana zu den saubersten und organisiertesten Ländern Afrikas gehört.
In Serowe steht ein neues Einkaufzentrum. Ein guter Ort um endlich meine Vorräte aufzustocken und die Reservekanister vollzutanken. Etwas verloren, stehe ich vor einem grossen Gestell und suche Reis. 20kg-Gebinde werden hier zum Kauf angeboten. Eine Menge, die ich wohl kaum brauche. Da lächelt mich plötzlich ein uniformierter Mann an: „Kann ich Ihnen helfen?“. Sein Name ist Albert, er arbeitet als Ranger im Khama Rhino Sanctuary. Heute schaut er aber nicht zu den Tieren, sondern kauft Vorräte für die Kantinenküche ein. Dank ihm finde auch ich endlich Reis in einer Packungsgrösse, die offensichtlich nur für die Touristen ins Ladensortiment aufgenommen wurde.

Albert nimmt mich am nächsten Morgen zu Fuss mit auf ein Rhino Tracking. Er führt mich zu einer Gruppe Breitmaulnashörnern, die er bestens kennt. Eine der Kühe hat sogar ein Kalb, was die Begegnung für mich perfekt macht. Durch den dichten Busch sehen wir zwar immer nur einzelne Nashörner, doch noch nie fühlte ich mich diesen besonderen Tieren so nah wie jetzt.

Mein Zuhause auf Zeit

Breitmaulnashorn

Abseits der Strassen

Lekhubu Island, eine Insel mitten in der Salzpfanne. Das tönt nach Abenteuer und nach Robinson Crusoe, dort möchte ich hin. Der Reiseführer, den ich dabei habe, rät aber in Sommermonaten ab, die Strecke dorthin zu befahren. Zu gefährlich sei es, wegen der vielen nassen Stellen. Doch diese Saison hat es erst wenig bis gar nicht geregnet und die Ranger haben mir bestätigt, dass auch die Salzpfannen für diese Jahreszeit sehr trocken und bestimmt befahrbar seien.

Die Route zur Insel wird im Reiseführer eigentlich sehr genau beschrieben, aber nach dem Dorf Mmatshumo ist die Strasse plötzlich zu Ende. Mehrere Tracks zweigen ab. Doch welchen muss ich nehmen? Ich fühle mich wie in einem riesigen Labyrinth und verlasse mich nun voll und ganz auf mein Navi, das die Route zu kennen scheint. Doch ein mulmiges Gefühl bleibt, denn seit dem letzten Dorf habe ich Niemanden mehr gesehen, nicht einmal Kühe oder Ziegen. Was ist, wenn mir jetzt etwas passiert? Ich schaue aufs Handy, kein Empfang! Umdrehen oder weiterfahren? Doch bevor ich mir eine Antwort überlegen kann, stehe ich am Rande der Sua Pan und blicke hinaus auf die weissen Weiten der Salzwüste. Meine Abenteuerlust wird mit neuem Adrenalin gefüttert, so überwältigend habe ich mir diese karge Landschaft nicht vorgestellt! Der Track liegt nun gut sichtbar vor mir und ebenfalls ein rostiger Wegweiser mit der Aufschrift „Lekhubu“.

Noch vor der Mittagszeit bin ich da und stelle den Landy sofort in den Schatten des grossen Chapman Baboab. Die hügelige Insel ist von bizarrer Schönheit. Die vielen Felsbrocken und die knorrigen Affenbrotbäume wirken wie eine Traumlandschaft.

Zuerst glaube ich, es ist niemand auf der Insel. Doch bald finde ich die beiden Männer, welche die Registrationen verwalten und das Geld für den Campingplatz kassieren. Die Blütezeit dieses Ortes muss lange her sein. Nur die Nummern am Wegrand erinnern an einen Campingplatz und der letzte Besucher war vor über einer Woche hier, wie ich aus dem Registrationsbuch lesen kann. Umso erstaunter bin ich, als einige Stunden später ein Fahrzeug mit Deutschem Nummernschild den Platz neben mir bezieht. Bei einem Glas Wein erfahre ich, dass Gabi und Uwe schon seit über einem Jahrzehnt zwischen dem Allgäu und Kapstadt pendeln und immer wieder ausgedehnte Reisen im südlichen Afrika unternehmen. Da sich ihre Route mit der meinen in etwa deckt, beschliessen wir ein Stück zusammen zu fahren.

Lekhubu Island

Salzpfanne

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