Wenn ich heute auf meine ersten Jahre als Waldpädagogin zurückblicke, muss ich schmunzeln 🤭 Nicht etwa, weil ich vieles falsch gemacht habe, sondern weil ich es mir unnötig kompliziert gemacht habe.
Ich wollte gut vorbereitet sein. Fundiertes Wissen vermitteln. Professionell rüberkommen. Und vor allem wollte ich den Teilnehmenden möglichst viel bieten.
Heute, rund 20 Jahre später, organisiere ich meine Führungen und Waldtage ganz anders. Ruhiger, einfacher und mit deutlich weniger Aufwand.
Und trotzdem (oder vielleicht auch gerade deshalb) sind meine Führungen heute intensiver und erlebnisreicher.
In diesem Artikel teile ich ehrlich und ungeschönt 5 Dinge, mit denen ich mir früher zu viel Arbeit gemacht habe.
Und natürlich teile ich auch, was ich heute anders mache. Denn du sollst die gleichen Fehler nicht auch durchmachen.
🎓 Wissen dosieren statt anhäufen
Früher:
Vor 20 Jahren glaubte ich, ich müsse möglichst viel erklären, damit sich die Führungsteilnehmenden möglichst viel neues Wissen aneignen können. Ganz egal ob Bäume, Tiere, Zusammenhänge, Fachbegriffe: Meine Führungen waren vollbepackt mit gutem Wissen. Doch das hatte zwei entscheidende Nachteile: Erstens war meine Recherchezeit für das Naturwissen mehr als doppelt so lang wie die Führung selbst. Und zweitens überforderte ich die Teilnehmenden damit masslos.
Heute:
Unterdessen übe ich mich in didaktischer Reduktion. Sprich: Weniger ist mehr! Ich gebe bewusst nur noch wenige kleine, dafür gut verdauliche Wissensimpulse weiter.
Auf Führungen mit Kindern referiere ich nie mehr als 5 Minuten pro Stück über einen Wissensinput. Bei Erwachsenen können es auch mal 10 Minuten sein. Je nachdem wie viele Fragen gestellt werden.
Im Anschluss folgt immer ein Erfahrungsspiel oder eine andere passende Aktivität: beobachten, bewegen, ausprobieren, erleben.
💡 Merke dir: Ein kleiner Gedanke, der sich mit einem Erlebnis verbindet, bleibt viel länger im Gedächtnis als ein ganzer Faktenblock.
✨ Erlebnis kommt vor Naturwissen
Früher:
Über die Menge an Wissensvermittlung habe ich ja bereits etwas geschrieben. Aber ich dachte lange Zeit auch, dass das Naturwissen einfach zu einer guten und qualitativ hochwertigen Führung dazugehört. Doch die Zeiten haben sich geändert. Der immer häufiger werdende „Natur-Mangel“ von Kindern und Erwachsenen lässt sich nicht mit Fachwissen beheben.
Heute:
Auf meinen Führungen baue ich nun bewusst „freie Zeit“ ein, in denen die Kinder oder Erwachsenen den Wald auf eigene Faust entdecken können. Sei das nun im Spiel (für die Kinder) oder in einer offenen Beobachtungsaufgabe (für Erwachsene).
Denn der Zugang zur Natur ist wichtiger als jedes Wissen.
Wissen kann auch entstehen, ohne dass wir es sofort erklären. Ich benutze heute viele Fragen, die zum eigenständigen Denken anregen, damit die Teilnehmenden selber entdecken und forschen können.
Und manchmal reicht es, gemeinsam still zu sein.
💡 Merke dir: Wer eine Beziehung zur Natur aufbaut, fragt später von selbst nach Wissen.
🎒 Viel Material macht noch keinen guten Waldtag
Früher:
In der Ausbildung zur Waldpädagogin habe ich eine Materialliste erhalten, was alles in den Rucksack gehört. Selbstverständlich kamen in der Ausbildung auch all diese Materialien zum Einsatz. Ganz viele Male. Augenbinden, Seile, Tücher, Bollerwagen, Plane, Sitzmatten, Becherlupen, Bestimmungsbücher und, und, und.
Also habe ich nach der Ausbildung viel gesammelt, vorbereitet und neu angeschafft. Und ja, viele dieser Materialien machen einem das Leben leichter. Aber für eine gute Waldführung brauchte es etwas anderes.
Heute:
In der modernen Waldpädagogik geht es nicht darum, eine Materialschlacht zu veranstalten. In einer Zeit wo wir im Konsum- und Materialüberfluss leben, macht es Sinn, dass wir gegensteuern und bewusst auch mal ohne Material arbeiten. Das nennt sich übrigens Suchtprophylaxe 😉
Ausserdem ist es auch deutlich budgetschonender, wenn du nicht alles kaufst. Es gibt für fast alles auch eine nachhaltigere Alternative. So kannst du z. B. leere Konfitürengläser anstatt Becherlupen verwenden oder du leihst dir Bestimmungsbücher in der Bibliothek aus. Mehr kostengünstige Alternativen findest du in diesem Artikel: Material und Ausrüstung für Waldtage und Naturführungen
Ein gelungener Waldtag entsteht durch Atmosphäre, Zeit und Lernprozesse. Gutes Material kann das unterstützen, aber es ersetzt nichts davon.
💡 Merke dir: Der Wald selbst ist das wichtigste „Material“.
♻️ Spiele und Methoden anpassen statt neue suchen
Früher:
Ich bin überzeugt, das kennst du auch… Ich war früher ständig auf der Suche nach neuen Ideen für Bastelarbeiten, Spiele, Themen etc. Ich dachte, ich müsse jedes Mal neue Dinge bieten. Aber erstens ist das seeeehr arbeitsintensiv und zweitens auch gar nicht nötig. Egal ob du Kinder oder Erwachsene auf der Führung dabei hast: Kleine Wiederholungen liebt die Menschenseele. Denn so weiss sie, was erwartet wird.
Heute:
Unterdessen nutze zu etwa 90 % bewährte Methoden und Spiele und passe sie an. Ich mache dir ein Beispiel: Vielleicht kennst du das bekannte Spiel „Fledermaus und Motte“. Damit lässt sich wunderbar den Wissenshappen vermitteln „Fledermäuse fressen Motten und haben ein gutes Gehör“.
Das gleiche Spiel kannst du mit wenigen Änderungen auf andere Tierarten anwenden: Luchs und Reh, Eule und Maus oder Fuchs und Maus.
Das hat den Vorteil, dass ich genau weiss, wie ein Spiel funktioniert und wie lange es ungefähr dauert. Ich muss so auch keine neuen Spiele mehr suchen, sondern kann auf bewährte Methoden zurückgreifen.
💡 Merke dir: Eine gute Methode lebt davon, dass sie sich verändern darf.
🎨 Weniger basteln, mehr erleben
Früher:
Als Vorschullehrerin gehörten für mich Bastelarbeiten einfach irgendwie dazu. In der Schweiz nennen wir das „déformation professionnelle„. Kurz gesagt, eine Berufskrankheit.
Ich hatte einfach das Gefühl, ich müsse am Ende eines Waldtages etwas vorzeigen können. Und womit geht das besser als mit einer Bastelarbeit?
Doch Bastelarbeiten sind zeitintensiv. Nicht nur in der Vorbereitung, sondern auch in der Durchführung. Viel Zeit für freie Beobachtungen und Erfahrungen bleibt dann nicht mehr.
Heute:
Unterdessen vertrete ich die Meinung, dass Bastelarbeiten nur in Ausnahmefällen in den Wald gehören. Einerseits basteln die Kinder schon genug im Kindergarten und in der Schule (dann brauchts das im Wald nicht) und anderseits sind die allermeisten Materialien gar nicht umweltverträglich. Dazu habe ich bereits einen ausführlichen Artikel geschrieben: Basteln im Wald – 5 einfache und umweltfreundliche Ideen
Heute führe ich nur noch gezielt Bastelarbeiten auf Waldführungen durch. Wenn sie zum Thema passen und genug Zeit für anderes bleibt.
Waldtage kommen auch ohne ein Endprodukt aus. Und wenn ich für Eltern oder Schulleitung eine Bestätigung brauche, dann lässt sich ein Waldtag auch mit Fotos dokumentieren. Daraus lassen sich z. B. Postkarten machen, die deutlich weniger Aufwand verursachen.
💡 Merke dir: Nicht alles, was bleibt, muss man mit nach Hause tragen können.
Fazit: Weniger machen und trotzdem mehr bewirken
Wenn ich heute auf meine Entwicklung als Waldpädagogin schaue, dann war mein grösster Lernschritt nicht das Dazulernen von Wissen. Auch wenn ich das noch immer sehr gerne mache, wie du hier nachlesen kannst.
Nein. Mein grösster Entwicklungsschritt war das Weglassen von unnötigen Glaubenssätzen und unwichtigen Arbeiten.
Stelle dir immer wieder die Frage: Für wen mache ich das eigentlich? Und vor allem: warum?
Früher habe ich viel Energie in Wissen, Material und perfekte Abläufe gesteckt. In erster Linie um mich selbst abzusichern. Aus dem Glauben heraus, dass ich sonst keine gute Waldpädagogin bin.
Doch heute weiss ich: Ein guter Waldtag braucht keine Perfektion.
Waldtage und Führungen brauchen vor allem eines: Deine Präsenz und deine Fähigkeit, Neugier bei Kindern und Erwachsenen zu wecken. Denn Neugier ist der Schlüssel zum lebenslangen Lernen.
Wenn sich deine Waldtage manchmal schwer oder überladen anfühlen, dann ist das kein Zeichen von Unfähigkeit, sondern oft ein Zeichen von zu viel Wollen.
Manchmal entsteht die grösste Qualität genau dann, wenn wir weniger tun.
Zum Schluss möchte ich dir noch ein kleines Geheimnis anvertrauen 🤫
Auch wenn ich heute vieles anders mache als noch vor 20 Jahren, tappe auch ich immer wieder in die Falle des Zu-viel-Wollens. Es ist einfach nur menschlich, nicht perfekt zu sein.
Und ganz ehrlich: Das ist auch gut so.
In diesem Sinne wünsche ich dir viele erfüllende Waldtage und Führungen im Jahr 2026.
Sei du selbst und tue das, wofür dein Herz brennt ❤️🔥






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