Nach meinem letzten Blogartikel über Pilze, kam die Frage auf: Wie funktioniert denn das mit dem Pilz-Baum-Netzwerk?
Dieses Wunderwerk ist für uns Menschen unsichtbar, denn es befindet sich unter der Erde und ist mikroskopisch klein. Ein komplexes Netzwerk, das sich unter dem ganzen Boden hindurchzieht.
Pilze sind weit mehr als nur die Fruchtkörper, die wir im Herbst sammeln. Sie sind die unsichtbaren Architekten des Waldes. Ihre Lebensgemeinschaft mit den Bäumen – die sogenannte Mykorrhiza – ist vermutlich die wichtigste Symbiose (eine Lebensgemeinschaft zum beidseitigen Nutzen) auf unserem Planeten und ein perfektes Thema, um Kindern und Erwachsenen die Tiefe des Ökosystems (der Lebensgemeinschaft aus Pflanzen, Tieren, Pilzen und ihrer Umwelt) Wald zu vermitteln.
Mykorrhiza: Das grösste Tauschgeschäft der Natur
Der Begriff Mykorrhiza kommt aus dem Griechischen und bedeutet schlicht „Pilzwurzel“ (Mykes = Pilz, Rhiza = Wurzel).
Diese Partnerschaft ist das Herzstück des Waldlebens und funktioniert nach einem einfachen, aber brillanten Tauschprinzip:
🌳 Was der Baum dem Pilz gibt: Zucker (Kohlenhydrate)
Der Pilz kann keine Photosynthese betreiben. Er ist auf Zucker angewiesen, um zu wachsen. Der Baum liefert diesen lebenswichtigen, energiereichen Zucker, den er durch Sonnenlicht in seinen Blättern/Nadeln produziert, über seine Wurzeln an den Pilz ab. Im Gegenzug gibt der Baum einen Teil seiner Zuckerproduktion an seinen Partner ab!
🍄 Was der Pilz dem Baum liefert: Wasser und Nährstoffe
Pilze bestehen aus feinen Fäden, den sogenannten Hyphen (einzelne Pilzfäden) die ein riesiges, den Boden durchziehendes Geflecht bilden – das Myzel (das gesamte unterirdische Pilzgeflecht).
- Erweiterte Reichweite: Dieses Myzel ist um ein Vielfaches feiner und verzweigter als die dickeren Baumwurzeln. Es verhundertfacht die aktive Oberfläche zur Nährstoffaufnahme.
- Nährstoff-Turbos: Der Pilz kann dadurch Stickstoff, Phosphor und Mineralien auch aus kleinsten Bodenporen aufnehmen, die der Baum alleine nie erreichen würde.
- Stress-Resistenz: In Trockenperioden ist die effiziente Wasserversorgung durch das Pilznetzwerk oft der entscheidende Überlebensfaktor für den Baum.
Kurz gesagt: Der Pilz vergrössert die „Suchfläche“ der Baumwurzeln, und der Baum liefert die Energie für das gesamte System.

Die prominentesten Pilz-Baum-Partnerschaften
Fast alle unsere heimischen Bäume arbeiten mit Pilzen zusammen. Während viele Pilze mit verschiedenen Bäumen eine Symbiose eingehen können, sind einige Pilzarten spezialisiert und verraten uns so, welche Bäume sie gerade unterstützen.
- Der Fliegenpilz und seine Partner: Siehst du den auffällig roten Fliegenpilz, ist das ein deutliches Zeichen für das darunterliegende Myzel, das meistens mit der Birke oder der Fichte (ferner auch mit Eiche oder Kiefer) zusammenarbeitet.
- Die begehrten Speisepilze: Viele unserer wertvollsten Pilze sind auf einen Wirtsbaum angewiesen. Der Steinpilz wächst in Symbiose mit Eiche, Buche und Fichte. Als Generalist ist er aber auch unter Kiefern oder Tannen anzutreffen.
- Spezialisten mit festem Partner: Einige Pilze sind hoch spezialisiert. So findest du den Lärchen-Röhrling fast ausschließlich unter Lärchen. Auch die wertvollen, unterirdisch wachsenden Trüffel leben in Symbiose, oft mit Eichen oder Hainbuchen.
💡 Merk dir: Wenn du im Wald einen Pilz entdeckst, ist das der Fruchtkörper eines Pilzes, dessen Myzel gerade eine Symbiose mit der Wurzel eines Baumes in der Nähe eingeht. Ohne den passenden Baum gäbe es diesen Pilz nicht!

Mykorrhiza erlebbar machen: 3 pädagogische Ideen 🎒
Die Mykorrhiza ist ein perfekter Aufhänger, um komplexe Ökologie spielerisch zu vermitteln.
Das Wald-Telefon
Erläutere das Myzel als eine Art unterirdisches Kommunikationsnetzwerk.
Pädagogische Umsetzung:
Lasst die Kinder ein „Wald-Telefon“ spielen: Mehrere Kinder stehen im Kreis und flüstern sich Informationen ins Ohr: z.B. „Ich brauche Wasser!“ oder „Ich brauche Zucker!“. Richtig sichtbar wird das Netzwerk auch noch, wenn du das Wald-Telefon-Spiel mit einem klassischen Büchsen-Telefon durchführst.
Das Tauschgeschäft: Wasser gegen Zucker
Diese Aktivität macht die Abhängigkeit beider Partner verständlich.
Pädagogische Umsetzung:
- Rollenverteilung: Einige Kinder sind die Bäume (die Zucker produzieren, dargestellt durch Kärtchen mit Sonnen-Symbolen). Andere sind die Pilze/Hyphen (die Nährstoffe wie Wasser- und Mineralienkärtchen sammeln).
- Spielablauf: Die Bäume können die Zucker-Kärtchen nur gegen die Wasser-/Nährstoff-Kärtchen der Pilze eintauschen. Nur so können beide „überleben“ (sich auf dem Waldboden in ihrem eingezeichneten Bereich weiterbewegen).
Das „Wood Wide Web“
Damit zeigst du wie alles zusammenhängt:
Du brauchst eine dicke Schnur oder ein dünnes Seil von etwa 10 Meter Länge. Du beginnst. Du hältst das Seil an einem Ende fest und wirfst den Knäuel zu einem Teilnehmenden. Dieser hält wiederum seinen Teil des Seils fest und wirft den Knäuel weiter.
Das macht ihr so lange, bis alle ein Stück des Seils festhalten und daraus ein Netzwerk entstanden ist. Kinder und Jugendliche können am Ende noch durch das Netz hindurchsteigen.
Fazit
Das nächste Mal, wenn du im Wald bist, denk daran: Unter deinen Füssen findet die wichtigste Kooperation der Natur statt. Pilze sind die stillen Helden, die den Wald stabilisieren, schützen und nähren. Nutze dieses Wunder, um die Augen deiner Gruppen für die Tiefe des Lebens im Ökosystem Wald zu öffnen!
Weiterführende Infos und Quellen 📚
Um dein Wissen zu vertiefen und spannende Materialien für deine Arbeit zu finden, empfehlen wir dir diese Ressourcen:
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- Buchtipp 1: „Das Kosmos-Handbuch Pilze“ Gminder / Karasch / Ludwig stellen mit Hilfe von wissenschaftlichen Zeichnungen 1500 Pilzarten vor. Es ist das Standartwerk der Pilz-Bestimmung.
- Buchtipp 2: Das Buch „Pilze zum Geniessen“ von Rita Lüder bietet oft gute Grundlagen für die Pilzarbeit und Umweltpädagogik.
- Fachgesellschaften: Die regionalen und nationalen Pilzgesellschaften (z.B. in der Schweiz, Deutschland, Österreich) sind Anlaufstellen für Kurse, Pilzsachverständige und aktuelle Forschung zur Mykorrhiza.
- Pädagogische Materialien: Die Website kreativpinsel.de von Rita Lüder bietet eine Fülle von Materialien und Ideen für die Umweltpädagogik, die sich oft auch auf Pilze und ihre Rolle beziehen.
- Wissenschaftliche Merkblätter: Die WSL (Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft) in der Schweiz bietet fundierte Merkblätter, die du zur Vertiefung und als verlässliche wissenschaftliche Quelle nutzen kannst (z.B. zum Thema Mykorrhiza).






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