Lange Zeit hatte ich grossen Respekt vor Führungen zum Thema Pilze, weil es unter ihnen ganz schön viele giftige Kandidaten gibt. Auf die Idee, Pilze von einer kreativen Seite anzugehen, wäre ich alleine nie gekommen.
Was ich alles in meine erste Pilzführung eingebaut habe und welche Learnings ich daraus gezogen habe, erfährst du in diesem Artikel.
Der Tag, an dem ich fast gekniffen hätte
Der Regen prasselte unaufhörlich diesen Herbst. Eigentlich perfektes Pilzwetter. Perfekt für eine Führung.
Wäre da nicht mein kleines „Problem“: Ich bin nämlich keine Pilzexpertin.
Ich kenne gerade so knapp 15 Arten. Mehr nicht 🫢
Doch die Kinder meiner Junior-Ranger-Gruppe (6–14 Jahre) lagen mir schon lange in den Ohren, dass sie gerne etwas zu Pilzen machen möchten.
Aber wie sollte ich eine vierstündige Führung über Pilze halten, ohne wirklich einen Pilz zu kennen?
Doch im September lud ich dann schliesslich PilzCoach Christian Pruy für einen Online-Workshop in meinen Mitgliederbereich ein. Dieser Workshop war die Zündschnur für mein Umdenken – und die allererste entspannte Pilzführung.
Ankommen: Die unsichtbare Welt unter unseren Füssen
Das Wetter war nass, aber die Stimmung gut.
Zehn vor Regen triefende Kinder, die sich zwar auf die Führung freuten, aber auch unsicher waren, ob ihnen der Pilzrisotto wohl schmecken würde, den ich für die Führung angesagt hatte.
Ich beginne meine Führungen oft mit einem Suchauftrag. Sie helfen den Teilnehmenden, im Wald anzukommen.
Heute: „Sucht etwas, das bei diesem Regen besonders schön aussieht und in eure Hand passt.“
Anschliessend legte ich den Grundstein für den weiteren Verlauf der Führung.
Das Netzwerk
Das, was wir oberflächlich vom Pilz sehen (also der Teil des Pilzes, den wir essen), ist nur der Fruchtkörper. Der eigentliche Pilz lebt unsichtbar unter der Erde. Ich erklärte das den Kindern anhand eines Apfelbaums: Der Pilz ist wie der gesamte Baum, aber sehen tun wir nur den Apfel.
Mit diesem Bild im Hinterkopf versuchte ich, die Symbiose zwischen Pilzen und Bäumen zu veranschaulichen.
Ich „verwandelte“ die Kinder in „Bäume“, ihre Arme waren die „Wurzeln“. Ich umschloss mit meinen Händen ihre Wurzelarme, um zu zeigen, was der Pilz unter der Erde genau macht.
Anschliessend spannten wir mit einem Seil ein dichtes, chaotisches Myzelnetzwerk (so heisst das unterirdische Pilznetzwerk) auf. Sobald es stand, durfte jedes Kind einmal durch das Netz klettern, kriechen oder tanzen. Zack, war die Pilzwelt erlebbar – und das, obwohl ich fast keine Pilze beim Namen nennen kann.

Die Pilz-Ernte: Sammeln unter einer goldenen Regel
Nachdem das Prinzip Myzel verstanden war, baute ich einen Bewegungsblock ein.
Der Auftrag: Jedes Kind sollte drei verschiedene Pilze sammeln.
Dabei gibt es aber eine goldene Regel: „Es gibt keine kontaktgiftigen Pilze! Anfassen ist erlaubt. Aber: Nichts kommt in den Mund. Und die Hände waschen wir vor dem Essen gründlich.“
15 Minuten lang wimmelten die Junior Ranger durch den nassen Wald. Als sie zurückkamen, war unser Sammeltuch ein Meer aus Formen, Farben und Texturen. Die Kinder staunten: „Schau mal, der sieht aus wie ein kleiner Kuchen!“

Wissenstransfer: Beschreiben statt benennen
Früher hätte ich genau an dieser Stelle abgebrochen. Denn prompt kamen die ersten Fragen nach den Namen. Aber ich sprang über meinen Schatten und sagte ganz offen, dass ich es nicht weiss.
Seit dem Workshop mit Christian weiss ich, dass es im deutschsprachigen Raum rund 14’000 Pilzarten gibt. Nicht einmal der grösste Pilzexperte kennt sie alle.
Stattdessen nutzte ich die Macht des Nichtwissens. Sie lädt nämlich zum genauen Beobachten ein. Denn das, was wir sehen, können wir auch beschreiben.
Jetzt durften die Kinder ihre gesammelten Pilze beschreiben und ihnen Namen geben, die zu ihrem Aussehen passten. So entstanden zum Beispiel der „Zwergenhut“ und der „Rotstiel-Matschfuss“. Eine Methode, die genaues Beobachten auf spielerische Weise fördert.

Das in der grünen Jacke bin ich 😅 Es war wirklich Dauerregen an diesem Tag.
Zum Abschluss des Wissenstransfer-Teils spielten wir noch ein Pilz-Wer-bin-ich?. Ich war mir zwar überhaupt nicht sicher, ob das funktioniert, wenn die Kinder die Pilze nur beschreiben und nicht beim Namen nennen können, aber überraschenderweise hat das prima geklappt.
Die Kinder redeten über Hüte und Lamellen, ohne je einen Pilznamen gewusst zu haben 🥰

Vertiefung: Kochen und Essen im Wald ist immer ein Highlight
Nach der Pause konnten die Kinder zwischen verschiedenen Vertiefungsaktivitäten wählen:
- Einige Kinder erforschten die Pilze weiter und dokumentierten mit Waage und Massband ihre Erkenntnisse im Naturjournal.

- Andere versuchten, einen Abdruck der Pilzsporen herzustellen – eine Methode, um das Unsichtbare sichtbar zu machen.
- Eine kleine Gruppe kümmerte sich um den Pilzrisotto. Die Pilze für den Risotto habe ich im Supermarkt gekauft (kein Risiko!). Risotto und Pilze haben wir separat gekocht, so dass auch die Pilzkritiker mitessen konnten.

- Und diejenigen, die etwas mehr Action wollten, spielten selbständig 15-14.
Am Ende wagten alle die Pilze zu probieren. Sogar jene, die anfangs fest überzeugt waren, dass sie keine Pilze mögen. Der Duft und die gemeinsame Kochstimmung im Wald haben offenbar überzeugt. 🌲🍚
Keine neue Führung ohne Learning
Doch was wäre ein neues Führungsformat, ohne dass etwas schiefläuft? 😉
Als wir nämlich ganz zum Schluss der Führung die Schüsseln anhoben, um die Sporenabdrücke zu bewundern, sahen wir … nichts 🤷♀️
Das Problem war, dass wir ausgerechnet Pilze mit einer weissen Sporenfarbe erwischt hatten. Und das war auf dem weissen Papier natürlich fast nicht zu sehen.
💡 Notiz an mich – und Tipp für dich: Nimm immer weisses und schwarzes Papier mit. Die Sporenfarben reichen von weiss bis schokobraun.
Mein Fazit: Das wahre Ziel ist die Faszination
Am Ende des Tages waren alle Kinder glücklich. Sie hatten geforscht, gelacht, und sogar die Pilzkritiker hatten aus Neugier von den Pilzen probiert.
Ich hatte in vier Stunden keinen einzigen Pilz bestimmen müssen, und die Führung war trotzdem richtig gut.
Meine Botschaft an dich: Vergiss Perfektionismus! Sei kreativ!
Deine Aufgabe ist es, Türöffner zu sein. Nutze Pilze und auch andere Waldthemen als Werkzeuge für Achtsamkeit, Forscherdrang und Kreativität.
Erzähle Geschichten lass die Kinder ihre eigenen Forschungen anstellen. Das ist der Weg zur nachhaltigen Begeisterung – ganz ohne Pilzlexikon.

Weiterführende Ressourcen & Vertiefung
Falls du in das Thema noch weiter einsteigen möchtest, empfehle ich dir folgende Seiten:
- 🌐 Experten-Wissen: Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) bietet eine Pilzcoach-Datenbank und Kurse, wenn du doch einmal ins Bestimmen einsteigen möchten.
- 📖 Praxis-Ideen: Das Buch „Pilze zum Geniessen“ von Rita Lüder ist eine wunderschön illustrierte, praxisnahe Ergänzung für die Arbeit mit Kindern.
- 🌿 Kreative Materialien: Auf kreativpinsel.de (von Rita Lüder) findest du weitere kostenlose umweltpädagogische Materialien. Von hier habe ich das Wer-bin-ich-Spiel.
💬 Frage an dich:
Was war deine bisher grösste „Wissenslücke“ bei einer Führung, die sich trotzdem als voller Erfolg entpuppt hat? Schreib es gerne in die Kommentare! 🌲🍄






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